Paul Ehrlich
Fachliche Leistung
Ehrlichs Forschungen beschäftigten sich insbesondere mit den Blutkörperchen,
der Histologie (Gewebelehre), der Chemotherapie und der Immunologie. Seine
experimentellen Untersuchungen befruchteten auch die Arzneimittelforschung,
die Onkologie (Krebsforschung) sowie die Bakteriologie. Als medizinischer
Leiter des renommierten Berliner Krankenhauses Charité entwickelte er in
der Hämatologie neue Methoden zur Diagnose verschiedener Bluterkrankungen.
Von besonderer Bedeutung
war seine Verwendung unterschiedlicher Farbstoffe wie Methylenblau oder
Indophenolblau, mit denen er bestimmte lebende Zelltypen farblich hervorheben
konnte.
In den Jahren 1890 bis 1895 entwickelt sich eine enge Zusammenarbeit mit
Emil Behring, dem Begründer der Serumtherapie. Am Berliner Institut für
Infektionskrankheiten nahm Ehrlich 1891 seine immunologischen Studien auf,
mit denen er schließlich Berühmtheit erlangen sollte. Zwar kannte man das
Phänomen der Immunisierung schon lange, aber dem Experiment, dem exakten
Nachweis hatte es sich bisher entzogen. Ehrlich widmete sich nun der Immunitätsforschung
und der Entwicklung wirkungsvoller Immunisierungsprotokolle zur Gewinnung
von Heilsera.
Sein Hauptbeschäftigungsfeld war die Entdeckung, Analyse und Definition
experimentell verschiedener Antikörperqualitäten bzw. Immunglobulinklassen.
Er entwickelte auch Verfahren zur quantitativen Antiserum-Standardisierung.
Er beschäftigt sich u. a. mit der Gewinnung von Diphtherieserum, seiner
Konzentrations- und seiner Wertbestimmung. Ab 1892 stand ein brauchbares
Diphterie-Antitoxin zur Verfügung. Ehrlich entdeckte bei der Erforschung
der Wirkung des Diphtherie-Antitoxins, dass die Giftwirkung der Toxine auf
den Organismus nicht mit ihrem Bindungsvermögen auf die Antitoxine parallel
geht. Aus diesen Beobachtungen entstand die Seitenketten-Theorie als erstes
konsistentes Konzept der Immunologie („Komplementbindungsreaktion“). Die
Theorie erklärte den Mechanismus der Immunisierung und stellte damit die
Immunitätslehre auf eine neue Basis. Die Seitenketten-Theorie war der Versuch
zu erklären, warum ein bestimmtes Gift sowohl einen toxischen Effekt als
auch eine spezifische Immunantwort im Körper eines Säugers auslösen kann.
Ehrlich vermutete, dass Zellen bestimmte Rezeptormoleküle oder Seitenketten
auf ihrer Oberfläche besitzen, die nur mit bestimmten chemischen Molekülgruppen
von Giften eine Verbindung eingehen. Überdauerten die so ausgestatteten
Zellen die Verbindung mit einem Gift, konnten sie nach Ehrlichs An-nahme
Seitenketten in großer Zahl produzieren. Einige der Seitenketten würden
abgestoßen und im Blut zirkulierend als Antitoxine, also Antikörper, wirken.
Mit dieser Theorie legte Ehrlich den Grundstein der modernen Immuntheorie.
1899 wandte sich Ehrlich in Frankfurt/Main der Chemotherapie von Infektions-krankheiten zu. Als Begründer der modernen Chemotherapie leistete er bedeutende Beiträge zur Entwicklung neuer Heilseren, darunter das 1909 von ihm beschrie-bene Salvarsan zur Therapie der Syphilis. Nach Tausenden von Versuchen und der Erprobung von 605 verschiedenen Substanzen gelang die Therapie mit der 606. Substanz. Wichtigen Anteil an diesem Erfolg hatte Sachahiro Hata, Paul Ehrlichs japanischer Mitarbeiter im Labor.
1909 wurde Salvarsan gegen die Frühstadien der Syphilis von einem Mitarbeiter Ehrlichs herausgegeben. Es war das erste spezifisch ursächlich wirkende Chemotherapeutikum und damit der Beginn der Chemotherapie von Syphilis mit Salvarsan. Da allerdings die Erreger bei der Verabreichung zu geringer Salvarsandosen resistent wurden, entwickelte Ehrlich ein verwandtes Nachfolgepräparat, das Neosalvarsan, das ihm uneingeschränkte Anerkennung einbrachte.