ODITEB

Abschlußbericht

(Letzter Berichtszeitraum 1.11.98 - 30.4.98)

Open DIstributed TExt Book for diagnostics with medical imaging

Gefördert vom DFN-Verein mit Mitteln des BMBF

Alexander Horsch
München, 5. Juli 1999

1. Ziele und Ergebnisse im Überblick

Was sollte erreicht werden?

Im Projekt sollte ein WWW-basiertes interaktives Lehrbuch für einen Teilbereich der Tumordiagnostik mit moderner medizinischer Bildgebung für Mediziner und Informatiker geschaffen und evaluiert werden. Das Lehrbuch ODITEB sollte der Verbesserung der Ausbildungsqualität im Bereich Röntgendiagnostik sowie Medizinische Bildverarbeitung dienen.

Der Name ODITEB steht für ein offenes verteiltes Lehrbuch für die medizinische Diagnostik mit digitaler Bildgebung und Endoskopie im Internet. Das Lehrbuch sollte fallorientierte, verteilte Datenhaltung bei hochqualifizierten Providern für die Lehrinhalte, Benutzung als Lern- und Nachschlagemedium über einheitliche Hypertextoberfläche mit zielgruppengerechter Führung für Mediziner (Schwerpunkt Diagnostik) und Informatiker (Schwerpunkt Bildverarbeitung) bieten. Es sollte die Diagnostik von Tumoren des Gastrointestinaltraktes mit MR-und CT-Bildgebung sowie digitalisierten Endoskopiebildsequenzen umfassen und ca. 150 charakteristische Fälle bereitstellen.

ODITEB sollte sich von anderen Projekten und Internet-Angeboten durch folgende für die Qualität entscheidende Merkmale unterscheiden:

• ODITEB sollte Original-Bilddaten anbieten (12 Bit MR- und CT, 24 Bit Endoskopie) und so ein Arbeiten des Lernenden mit den Bildern und Videos wie an den Konsolen der bildgebenden Medizingeräte, z. B. Fensterung von CT-Daten nach Hounsfield, ermöglichen.

• ODITEB sollte Tumorfälle bieten, die in unterschiedlichen Modalitäten abgebildet werden. Es sollte die radiologischen Modalitäten MR und CT mit den für die Innere Medizin und die Chirurgie wichtigen Modalitäten Endoskopie-und Endosonographie korrelieren.

• In ODITEB sollte der Informatiker die Originaldaten interaktiv bearbeiten können. Denn dieser praktische Umgang mit den Bilddaten ergänzt die vorbereiteten Lehrinhalte zum Thema Digitale Bildverarbeitung und ermuntert zum Experimentieren.

Was wurde erreicht?

Die zum 30.06.99 im Internet verfügbare Anwendung ODITEB besitzt folgende Merkmale:

• 131 Tumorfälle im Netz bei den Providern in München, Erlangen und Würzburg
• 23 kommentierte Fälle mit Expert Guided Tours zur Medizin, 3 zur Informatik
• 88 CT-Untersuchungen und 44 MRT-Untersuchungne in Originalqualität mit zusammen etwa 15000 Schichtbildern
• 29 Videofilme zur Endoskopie (14) und zum Endoskopischen Ultraschall (15)
• davon 17 per Voiceclip und Grafikeinblendungen kommentiert (7 Ösophagustumorfälle, 5 Magentumorfälle)
• Bildviewer mit der Funktionalität einer virtuellen CT-Konsole (Grauwertfensterung, Zoom, Cinemode)
• Interaktive Bildverarbeitung (derzeit nur Kantenfilterung nach Sobel)

Das Lehrbuch wurde an der TU München evaluiert. Es fand dort Akzeptanz bei den Studenten und soll in das Curriculum integriert werden. Die Vorbereitungen dazu laufen. Entsprechende Schritte werden für die Univeritäten Erlangen und Würzburg angestrebt.

Wo gibt es offene Wünche?

Einige Projektziele wurden nicht vollständig erreicht:

• Nur ein Teil der Fälle konnte bis jetzt durch die Radiologen und dem Informatiker mit Expert Guided Tours versehen werden.
• Die Zahl der im Textteil verankerten Links auf Abfragen der Fallbasis ist noch nicht ausreichend, insbesondere im Informatikteil.
• Die interaktiven Bearbeitungsmöglichkeiten sind noch recht eingeschränkt (Fensterung, Sobelfilter).

Wie es weitergeht

Die wichtigsten geplanten Arbeiten für die kommenden Monate sind:

• Kommentierung der vorhandenen Fälle mit Expert Guided Tours durch Experten (läuft)
• Einbindung von Ergebnissen aus dem Bildverarbeitungsprojekt QUANTOM / QUANTOM-SEG in den ODITEB-Informatikteil
• Umsetzung der wichtigsten technischen Verbesserungen mit Studenten und Praktikanten
• Einbindung in das Curriculum der TU München
• Erweiterung auf andere medizinische Teilgebiete
• Erweiterung der didaktischen Möglichkeiten (Kooperation mit ProMediWeb)
• Kooperation mit einem medizinischen Fachverlag

Die letzten vier Punkte sind in Abschnitt 5.2 "Weiterführung nach Projektende" genauer ausgeführt.

Dieser Abschlußbericht geht im Weiteren genauer auf den insgesamt erreichten Erfüllungsgrad der Projektziele ein und führt detaillierter aus, wie es mit ODITEB weitergeht. Außerdem werden in Abschnitt 5 die Arbeitsergebnisse aus dem letzten Berichtszeitraum zwischen Meilenstein 5 und Meilenstein 6, dem Projektabschluß, dargestellt.

Tabelle 1: Die ODITEB-Meilensteine

Tabelle 2: Das letzte fällige Arbeitspaket

2. Zur Projektorganisation

2.1. Projektpartner

Im Bericht werden folgende Abkürzungen für die beteiligten Universitäten verwendet:

• TUM Technische Universität München
• MRI Medizin Rechts der Isar, Akronym des Klinikums rechts der Isar der TUM
• JMU Julius-Maximilians-Universität Würzburg
• FAU Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Folgende Einrichtungen der vorher genannten Universitäten sind an ODITEB beteiligt:

• IMSE Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie der TUM
  Direktor: Prof. Dr. Albrecht Neiß
  Abteilung Medizinische Informatik
  Leiter: Dr. Alexander Horsch

• MRI-Rö Institut für Röntgendiagnostik der TUM
  Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. Paul Gerhardt

• MRI-Chir Chirurgische Klinik und Poliklinik der TUM
  Direktor: Prof. Dr. Jörg-Rüdiger Siewert
  Endoskopie: Dr. H. J. Dittler

• MRI-Med2 II. Medizinische Klinik und Poliklinik der TUM
  Direktor: Prof. Dr. Meinhard Classen
  Endoskopie-Abteilung
  Leiter: Dr. Hans-Dieter Allescher

• JMU-Rö Institut für Röntgendiagnostik der JMU
  Direktor: Prof. Dr. Dietbert Hahn

• FAU-Rö Institut für Diagnostische Radiologie der FAU
  Direktor: Prof. Dr. W. Bautz

2.2. Projektteam

Folgende Personen waren im Berichtszeitraum für das Projekt tätig:

• Dr. Alexander Horsch (AH), IMSE, Projektleiter
• Thomas Balbach (TB), IMSE (ab 1.7.97 bis 30.6.98)
• Fabian Sturm, IMSE (ab 1.7.98)
• Dr. Paul Hellerhoff (PH), MRI-Rö
• Dr. Markus Hogg (MH), MRI-Rö
• Dr. Thomas Treumann (TT), MRI-Rö
• Krsto Minov (KM), Doktorand der Medizin, IMSE
• Dr. Alexander Tschammler, JMU-Rö
• Dr. Alexander Cavallaro, FAU-Rö
• Dr. Ekkehard Fiedler, FAU-Rö
• Dr. H.-J. Dittler, MRI-Chir
• Dr. Lukas Prantl, MRI-Chir

2.3. Meetings

Im letzten Berichtszeitraum fanden folgende Arbeitsbesuche statt:

• 15. März 1999 Arbeitsbesuch in Erlangen
  • Überspielen der Fälle von den Tomographiegeräten via Siemens PROMINENCE auf den ODITEB-Fallserver.
  • Einrichten des ODITEB-Frontends. Gemeinsame Kommentierung eines Beispielfalles.

• 25.-26. März 1999 Arbeitsbesuch in Würzburg
  • Technisches Troubleshooting bei der Falldatenübertragung, die bis dahin trotz intensiver Bemühungen nicht zum Laufen gebracht worden war. Es wurde folgende provisorische Lösung gefunden: Zur Falldatenbereitstellung erfolgte die Verlagerung des ODITEB-Fallservers in das Kliniknetz. Dort wurden erste anonymisierte Beispielfälle vom CT auf den Server übertragen. Leider stellte sich heraus, daß die Verbindung nicht stabil genug war, um komplette große Datensätze übertragen zu können. Deshalb wurden die Daten später über MOD in München am CT eingelesen und per FTP auf den Würzburger ODITEB-Server gebracht.
  • Gemeinsame Kommentierung eines Beispielfalles.

2.4. Kongreßplanung und Public Relation

Zum Stand der Vorstellung von ODITEB auf Kongressen und in Fachzeitschriften ist folgendes zu berichten:

• RSNA (Radiological Society of North America) vom 29. November bis 4. Dezember 1998
  Dies ist einer der wichtigsten radiologischen Kongresse weltweit. Für ODITEB wurde dort ein Stand auf der InfoRad angemeldet, auf dem die Lehranwendung während der gesamten Dauer des Kongresses am Rechner demonstriert wurde. Als Aussteller reisten Markus Hogg, Thomas Balbach und Alexander Horsch nach Chicago. Außerdem erschien der ODITEB-Beitrag im RSNA-Tagungsband. Alexander Horsch hielt ein Kurzreferat über die Anwendung (Abstract vgl. Meilenstein 4, 9.1).
  Ausführlicherer Kongreßbericht

• MedInfo’98 (9th World Congress on Medical Informatics)
  18.-22. August 1998, Seoul, Korea
  Dieser Kongress ist der bedeutendste Medizininformatikkongreß. Alexander Horsch stellte in einem Diavortrag die grundlegenden Konzepte, die Anwendung selbst und die Ergebnisse der Evaluierung mit Medizinstudenten im Sommersemester 1998 vor. Etwa 30 Zuhörer zeigten reges Interesse an der Anwendung. Leider war der Zuhörerkreis aufgrund der vielen parallel abgehaltenen Sessionis nicht größer. (Abdruck des Beitrags zu den Proceedings siehe Zweiten Meilenstein, Anhang).
  Ausführlicherer Kongreßbericht

• DRC99 (80. Deutscher Röntgenkongress), 12-15.05.99, Wiesbaden
  Dies ist der wichtigste einschlägige Medizinerkongreß im deutschsprachigen Raum. Das ODITEB-Lehrbuch wurde von Alexander Horsch an einem Stand auf der Multimedia-Ausstellung des Kongresses, der @roentgen, demonstriert und zweimal in einem Kurzreferat vorgestellt. Es ergaben sich eine Reihe interessanter Gespräche mit Radiologen.
  Ausführlicherer Kongreßbericht

• MIE99 (XV. International Congress for Medical Informatics in Europe)
  22.-26. August 1999, Ljubljana, Slovenien
  Auf diesem Kongress ist ODITEB mit folgendem Beitrag vertreten: Horsch A, Balbach T, Hogg M, Sturm F: The Case-based Internet Textbook ODITEB For Multi-modal Diagnosis Of Tumors – Development, Features And First Experiences. Nach dem konzeptionellen Beitrag zur MedInfo'98 stellt dieses Paper die Projektergebnisse dar.

• GMDS99 (44. Jahrestagung der GMDS), 13.-16.09.99, Heidelberg
  Nachdem auf der letztjährigen GMDS-Tagung der ODITEB-Viewer vorgestellt worden war, wird auf der diesjährigen Tagung das Authoring als wichtiger Teilaspekt von ODITEB präsentiert: Balbach T, Liss T, Horsch A: User Friendly Authoring for a Radiologic Textbook in the Internet.

3. Projektstand auf einen Blick

Der Projektstand zum 30.6.99 stellt sich wie folgt dar:

4. Status fälliger und laufender Arbeitspakete

4.1. Aufbereitung von ca. 150 Fällen (A4)

- zu 67% erfüllt -

Die bei Projektbeginn avisierte ungefähre Zahl von 150 kommentierten Fällen konnte bis dato nur zu 2/3 erreicht werden. Die Zahl war allerdings auch bewußt hoch angesetzt worden, um von vorne herein den Ansatz der breiten Fallsammlung, der in der ODITEB-Philosophie eine bedeutende Rolle spielt, deutlich zu machen. Der Lernende soll mit einer Vielzahl von Routinefällen arbeiten, so, wie sie ihn später in der klinischen Praxis erwarten, und an ihrer Bearbeitung praktisch anwendbares aktives Wissen erwerben. Die Fallsammlung wird weiter wachsen und die 150er-Marke sicher bald überschreiten.

Zur Abschätzung des Erfüllungsgrades wird folgender Ansatz für die Aufwandsanteile eines durchschnittlichen Falles verwendet:

• Auswahl des Falles 10%
• Akquisition 60%
• Fallaufbereitung 30%

Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über den Stand der Fallaufbereitung bei den verschiedenen Providern. In den nachfolgenden Unterabschnitten wird genauer auf den Stand der Arbeiten in München, Würzburg und Erlangen eingegangen. Alle %-Angaben geben Anteile am Gesamtarbeitspaket an:

Die noch fehlenden Lehrtexte zu Leber (Erlangen), Thorax (Würzburg), Endoskopie und Endosonographie sind fertig.

4.1.1. Gastrointestinaltrakt vom Provider München

Im Berichtszeitraum wurden 7 Fälle mit 12 Videos zu Ösophagustumoren erstellt und per Voiceclip und Grafikeinblendungen im Video kommentiert, sowie 5 Fälle mit 7 Videos zu Magen. Außerdem wurden zu 3 Fällen Informatikkommentierungen fertiggestellt. Damit erhöht sich die Zahl der aufbereiteten Fälle von 10 auf 25.

4.1.2. Leber und Pankreas vom Provider Erlangen

4.1.3. Thorax vom Provider Würzburg

4.2. Evaluierung Informatikteil (A5a)

- abgeschlossen -

Im Rahmen der Vorlesung HI-8 Medizinische Bildverarbeitung im noch laufenden Sommersemester 1999 wird der Informatikteil des Lehrbuchs eingesetzt. Eine Befragung der Studenten wurde durchgeführt (Ergebnis E5a siehe 5.1).

4.3. Virtuelle Lehrveranstaltung (A6)

- abgeschlossen -

Gemäß der Konzeption aus dem letzten Meilensteinbericht (E6.1, Abschnitt 5.4) wurde eine virtuellen Lehrveranstaltung pilothaft durchgeführt und bewertet. Es wurde auf dieser Grundlage ein Konzept für die Weiterentwicklung verfaßt sowie ein abschließender Erfahrungsbericht gegeben (Ergebnisse siehe E6, Abschnitt 5.2).

5. Vorliegende Arbeitsergebnisse

5.1. Evaluierung des Informatikteils (E5a)

Im Rahmen der Vorlesung HI-8 Medizinische Bildverarbeitung im noch laufenden Sommersemester 1999 wird der Informatikteil des Lehrbuchs eingesetzt. An der Vorlesung nehmen Informatikstudenten höherer Semester mit Hauptfach Informatik und Nebenfach Theoretische Medizin teil. Am Ende einer Vorlesungsstunde mit ODITEB wurde ein Fragebogen verteilt, den die 9 anwesenden Studenten ausfüllten. Hier das Ergebnis der Befragung:

1. Wie hat Ihnen die Vorlesungsstunde mit ODITEB als Demo-Tool für den Dozenten gefallen?
   6 Studenten urteilten mit 'gut', 3 Studenten mit 'sehr gut'. Es wurden folgende Eindrücke genannt:
   "anschaulich und interessanter durch die Bilder"
   "abwechslungsreicher"
   "kurzes Wiederholen alter Themen durch Zurückspringen im Hypertext einfach möglich"
   "sehr anschaulich durch Beispielfälle"

2. Haben Sie den Eindruck, mehr gelernt zu haben als
   - anhand von Overheadfolien als Medium? Bitte begründen!
   7 Studenten bejahten diese Frage. Es wurden u. a. folgende Gründe genannt:
   "bessere Bildqualität"
   "der Dozent kann einfacher zurückblättern und muß nicht lange nach Folien suchen, besserer Vortragsfluß"
   "der Dozent steht nicht vor dem Projektorbild und verdeckt dieses nicht"
   "Strukturierung des Stoffs klarer ersichtlich"
   "Lehrmaterial ist leichter auf den neuesten Stand zu bringen"
   2 Studenten meinten, der Lerneffekt sei etwa gleich, hoben aber die bessere Bildqualität hervor.
   - anhand von Büchern? Bitte begründen!
   4 Studenten bejahten die Frage und nannten u. a. folgenden Gründe:
   "Bildbeispiele, Applets"
   "Interaktion"
   "Anschaulichkeit anhand der Fälle"
   "nicht so langweilig"
   3 Studenten verneinten die Frage mit folgenden Begründungen:
   "in Büchern kann man markieren"
   "mit Büchern kann man sich länger auseinandersetzen"
   "man kann verschiedene Bücher zu einem Thema heranziehen"
   Die restlichen beiden Studenten waren unentschlossen.

3. Was hat Ihnen besonders gut gefallen?
   "Vergleich von Bildbeispielen vor und nach Bearbeitung"
   "viele Bilder, dadurch recht anschaulich"
   "gute Aufbereitung des Stoffs"
   "Aufbau, Übersichtlichkeit"
   "klarer Aufbau, gut durchdachtes System"
   "das reichliche Anschauungsmaterial"
   "die Bilder, da kann man sich richtig was vorstellen"

4. Was hat Sie besonders gestört?
   "etwas zu kleine Schrift"
   "zu viel Text auf einer Seite"
   "mathematische Formeln nicht in gewohnter Form, deshalb auf den ersten Blick nicht so deutlich"
   "Abstürze, falls sie öfter vorkommen" [System stürzte browserbedingt einmal ab]

5. Würden Sie ODITEB als CD-ROM kaufen
   Alle 9 Studenten würden eine ODITEB-CD-ROM für 25 DM (7) oder sogar 50 DM (2) kaufen:

   für 100 DM	niemand
   für 50 DM	2
   für 25 DM	7
   gar nicht	niemand

5.2. Virtuelle Lehrveranstaltung (E6)

5.2.1. Pilotdurchführung

Am Klinikum rechts der Isar wurde am 23.3.99 von 15:00 bis 16:00 Uhr eine virtuelle Lehrveranstaltung mit ODITEB durchgeführt. Es nahmen 7 Studenten teil. Sie saßen während der Veranstaltung an Rechnern des CIP-Pools im Gebäude der Urologischen Klinik. Dozent war Dr. Paul Hellerhoff (Radiologe). Er arbeitete an einem PC im Institut für Med. Statistik. Im folgenden werden die Ergebnisse zum einen von Seiten der Studenten - sie wurden von Fabian Sturm begleitet -, und zum anderen von Seiten des Dozenten dargestellt.

Eindrücke von Fabian Sturm als Studentenbetreuer

• Die Bereitschaft der Studenten, an der Veranstaltung teilzunehmen, war erstaunlich groß. Sie begründet sich wahrscheinlich durch das Interesse, mit neuen Medien zu experimentieren.
• Das Starten der Chat-Anwendung und von ODITEB gelang allen Teilnehmern mit Hilfe eines vorher zusammengestellten kurzen Leitfadens. Eine zusätzliche Betreuung für technische Fragen war aber während der gesamten Veranstaltung nötig.
• Ein größeres Problem war, eine geschickte Fensteranordnung auf dem Bildschirm zu finden, um den Chat verfolgen und gleichzeitig in den ODITEB-Fällen blättern zu können.
• Während der Veranstaltung ist aufgefallen, daß die voreingestellte Konfiguration der Rechner die ODITEB-Anwendung stark behinderte. Die Konfiguration wurde dann während der Veranstaltung noch umgeändert. Danach lief ODITEB stabil.
• Im Laufe der Zeit zeichnete sich stark ab, daß die textbasierte Kommunikation zu langsam ist. Der Dozent ist stark damit beschäftigt, bei den Studenten nachzufragen, wieweit sie denn schon sind und ob er mit dem Stoff weitermachen kann. Die Studenten versäumen es oft, ihren Stand zurückzumelden, so daß der Dozent weiß, ob alle mitkommen. Dies ist aber unbedingt nötig, da ja kein Sichtkontakt besteht.
• Die Wahl von zwei getrennten Chaträumen für Fragen und Antworten hat sich nicht durchgesetzt, da nicht, wie vermutet, die Studenten überwiegend Fragen stellen, sondern oft auch der Dozent.
• Den Studenten hat das Arbeiten mit ODITEB sichtlich Spaß gemacht. Die durch diese Lehrveranstaltung gebotenen interaktiven Elemente wurden gern und reichlich genutzt.

Eindrücke von Paul Hellerhoff als Dozent

• Ich hatte mir vorgenommen, den Ductus vorzugeben. Und zwar deshalb, weil ich glaube, daß man nur so etwas gezielt rüberbringen kann. Sonst wäre der Unterricht wohl zerfallen und alle hätten irgendwo geblättert und hätten dazu Fragen gestellt, von denen dann jeweils nur einer etwas hat. Außerdem wäre es für mich wohl kaum möglich gewesen, allen immer zu folgen.
• Um den Ductus vorzugeben, mußte ich für mein Empfinden ziemlich schnell auf der Tastatur sein. Ich glaube, ich habe mehr geschrieben als alle anderen zusammen.
• Ich denke, es ist einigermaßen gelungen, die kleine Gruppe zusammen durch ein paar Inhalte zu führen.
• Naturgemäß war bei Studenten, die sich nicht speziell vorbereitet hatten, der Anteil an Kommunikation über die Technik (Bedienung) recht hoch.
• Zu den medizinischen Inhalten konnte ich meist nur verkürzt etwas sagen. Das ist zwar fast immer bei zeitlich begrenzten Lehrveranstaltung so, aber akustische Sprache geht einfach schneller, so daß dieses Problem durch Chat verschärft wurde.
• Mich würde interessieren, ob die Tatsache, daß die Studenten alles schriftlich haben, für sie ein Vorteil ist.
• Es war schwieriger als bei einem entsprechenden herkömmlichen Kurs mit vergleichbarer Anzahl Studenten, zum Teil sogar unmöglich, den Überblick zu behalten, welcher Student nichts sagt, wer vielleicht direkt angesprochen werden sollte, usf.
• Die Systemantwortzeiten waren gut. Das System war bis auf zweimal, als das ODITEB-Java-Applet ohne Grund geschlossen wurde, stabil.

5.2.2. Konzept für die Weiterentwicklung

Um die virtuelle Lehrveranstaltung für einen routinemäßigen Betrieb im Rahmen des Curriculums vorzubereiten, sind in der Hauptsache zwei Maßnahmen erforderlich:

• Um den Dozenten von der Tipparbeit zu entlasten, sollte die Bedienung des Chat via Spracheingabe (IBM VoiceType) erprobt werden.
• Um den Chat als Kommunikationskanal und die gemeinsam mit dem Dozenten betrachteten ODITEB-Fälle gleichzeitig bequem verfügbar zu haben, sollten dem Studenten oder der Kleingruppe an einem ODITEB-Arbeitsplatz zwei WWW-Clients, also zwei Bildschirme zur Verfügung stehen.

Im Rahmen der Reorganisation der medizinische Bibliothek der TU München ist geplant, einen Pool von Lernarbeitsplätzen für Multimediaprogramme und Internetanwendungen zu schaffen. Bei der Implementierung der computergestützten Lehre werden ODITEB und das Konzept der Virtuellen Lehrveranstaltung auf Basis von ODITEB berücksichtigt (vgl. 5.3).

5.2.3. Abschließender Erfahrungsbericht

Abschließend läßt sich sagen, daß Chat als Technik für eine virtuelle Lehrveranstaltung mit dem ODITEB-Lehrbuch seitens der Studenten sehr positiv aufgenommen wurde. Regieanweisungen des Dozenten ("Bitte öffnen Sie Ösophagustumorfall Nr. 5!") bleiben auf dem Bildschirm stehen, es gibt keine akkustischen Mißverständnisse; die gesamte Fallbesprechung kann am Ende der Stunde vom Studenten abgespeichert oder ausgedruckt und zur späteren Nacharbeit mitgenommen werden. Für den Dozenten ist es schwer, sich über den Bearbeitungsstand der Studenten auf dem Laufenden zu halten. Ein auf der Tastatur weniger flinker Dozent hätte vielleicht kapitulieren müssen, so daß Spracheingabe anzustreben ist.

5.3. Weiterführung nach Projektende (E7)

ODITEB wird angewendet und weiterentwickelt. Als nächste Schritte sind vorgesehen:

• Einbindung in das Curriculum der TU München
  Es bestehen derzeit vehemente Bemühungen an der Med. Fakultät der TU München, computergestützte Lehre verstärkt einzusetzen, um die Qualität der Ausbildung zu erhöhen. Die Lehranwendung ODITEB ist deshalb auf starkes Interesse gestoßen (z. B. im Habilitationsvortrag A. Horsch: Einsatz von Internettechnologien für die computergestützte Lehre im Bereich der bildgebenden Diagnostik von Tumoren, gehalten am 16.6.99 vor den Professoren der Fakultät) und soll fest implementiert werden.

• Erweiterung auf andere medizinische Teilgebiete
  Eine Reihe von Interessenten auf verschiedenen Kongressen und Messen haben Kooperationsmöglichkeiten für die Erweiterung auf andere medizinische Teilgebiete, etwa die Mammographie, aufgezeigt. Solche Erweiterungen werden angestrebt, setzen allerdings voraus, daß einige technische Verbesserungen in der nächsten Version des Lehrbuchs realisiert werden (Bilddatenkompression, Selektive Schichtdatenübertragung, z. B. nur die für eine Expert Guided Tour benötigte Schichten oder Möglichkeit der Einschränkung auf Schichtbereiche durch den Fallautor, u. a., vgl. Bericht zum 80. Deutschen Röntgenkongress)

• Erweiterung der didaktischen Möglichkeiten
  Im Vergleich zum Projekt ProMediWeb der LMU läßt sich sagen, daß ODITEB eher an der technischen Qualität der Bilddaten orientiert ist und eine sehr offene und einfache Umgebung für die didaktische Aufbereitung, nämlich die Expert Guided Tours, bereitstellt. Demgegenüber liegen die Stärken von ProMediWeb in einer Betonung der Modellierung des differentialdiagnostischen Prozesses und unterstützt die Modellbildung durch entsprechende graphische Tools. Es wir in kürze ein Treffen mit Dr. Fischer von der LMU München stattfinden, in dem Möglichkeiten der Kooperation erörtert werden. Für ODITEB wäre eine Erweiterung der didatktischen Möglichkeiten wünschenswert.

• Kooperation mit einem medizinischen Fachverlag
  Um die Weiterentwicklung von ODITEB zu finanzieren, soll die Kooperation mit einem medizinischen Fachverlag gesucht werden.

6. Abschließendes Fazit zum Gesamtprojekt

Im Rahmen des Projekts ODITEB ist es gelungen, eine für Studenten interessante und in dieser Form zuvor nicht existente Lehranwendung zu erstellen.

ODITEB war kein einfaches Projekt. Drei universitäre Institute für Radiologie und weitere klinische Partner kooperierten bei der Entwicklung dieser Anwendung. Hauptschwierigkeiten ergaben sich im Zusammenhang mit der Akquisition der Daten aus den unterschiedlichen Medizingeräten der Providern in München, Erlangen und Würzburg aufgrund der unterschiedlichen DICOM-Varianten und der netztechnischen Voraussetzungen; diese mußten teilweise erst (provisorisch) geschaffen werden. Des weiteren gelang es nicht ganz, die angestrebte hohe Fallzahl von ca. 150 zu erreichen. Ebenso konnte die didaktische Aufbereitung nur für rund ein sechstel dieser Fallzahl bis dato bewältigt werden.

Das Projekt endet, die Arbeit jedoch wird weitergehen! ODITEB ist inzwischen bei allen drei Partnern zu einer Basis für die Lehre von Morgen im Bereich der Tumordiagnostik geworden. Mit der Förderung durch den DFN-Verein wurde eine erste Version des Lehrbuchs geschaffen. Weitere werden folgen. Wir danken dem Sponsor für die großzügige Unterstützung!

München, den 5. Juli 1999

Dr. Alexander Horsch

Publikationen über ODITEB

1. Balbach T, Liß T, Horsch A: Visualisierung und Kommentierung von DICOM-Daten - Ein Java-Applet. In: Lehmann T, Metzler V, Spitzer K, Tolxdorff T (Hrsg.): Bildverarbeitung für die Medizin 1998. Algorithmen - Systeme - Anwendungen. Berlin, Heidelberg, New York et al.: Springer, 1998, 338-342
2. Balbach T: Radiologisches Lehrbuch im WWW. Deutsches Ärzteblatt / PraxisComputer 5/1998, 17
3. Horsch A, Hellerhoff P, Hogg M, Ahlbrink H, Balbach T, Liß T, Minov K, Gerhardt P: Concepts of a Web-based Open Distributed Textbook for the Multimodal Diagnostics of Gastrointestinal Tumours with MRI, CT and Video-endoscopy Addressing Students of Medicine and Students of Medical Informatics as two Different Target Groups. In: Cesnik B, McCray AT, Scherrer J-R: MedInfo'98, Amsterdam et al.: IOS Press, 1998, 793-797
4. Balbach T: Radiologisches Lehrbuch im Internet. Deutsches Ärzteblatt 95(36; Sep 98):B-1728
5. M Hogg, MD; A Horsch, PhD; Th Balbach, MD; Th Liss; P Gerhardt, MD: Web-based Open Distributed Text Book (ODITEB) for the multimodal diagnostics of gastrointestinal tumors with MRI, CT and videoendoscopy. Abstract for the RSNA'98, Nov 29 - Dec 4, 1998, Chicago, Illinois
6. Horsch A, Balbach T, Hogg M, Sturm F: The Case-based Internet Textbook ODITEB For Multi-modal Diagnosis Of Tumors – Development, Features And First Experiences. Accepted, reviewd paper for the MIE99, Ljubljana, Slovenia, extended version (beyond 4-page-limitation).
7. Balbach T, Liss T, Horsch A: User Friendly Authoring for a Radiologic Textbook in the Internet. Akzeptierter Beitrag zur GMDS99 (44. Jahrestagung der GMDS), 13.-16.09.99, Heidelberg

Glossar

CCE - Case Commenting Editor, der Fall-Kommentierungseditor
CGT - Case Generation Tool, das Fall-Generierungstool
FAU - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
FAU-Rö - Institut für Diagnostische Radiologie der FAU, Direktor: Prof. Dr. W. Bautz
HTML - Hypertext Markup Language
HTTP - Hypertext Transfer Protokol
HTTP-Server - stellt Hypertext-Funktionalität im WWW bereit
IMSE - Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie der TUM, Direktor: Prof. Dr. Albrecht Neiß, Abteilung Medizinische Informatik, Leiter: Dr. Alexander Horsch
JMU - Julius-Maximilians-Universität Würzburg
JMU-Rö - Institut für Röntgendiagnostik der JMU, Direktor: Prof. Dr. Dietbert Hahn
MRI - Medizin Rechts der Isar, Akronym des Klinikums rechts der Isar der TUM
MRI-Chir - Chirurgische Klinik und Poliklinik der TUM, Direktor: Prof. Dr. Jörg-Rüdiger Siewert, Endoskopie: Dr. H. J. Dittler
MRI-Med2 - II. Medizinische Klinik und Poliklinik der TUM, Direktor: Prof. Dr. Meinhard Classen, Endoskopie-Abteilung, Leiter: Dr. Hans-Dieter Allescher
MRI-Rö - Institut für Röntgendiagnostik der TUM, Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. Paul Gerhardt
OTE - ODITEB Text Editor
QUANTOM - Quantitative Tomographiedatenanalyse (gefördert von der Deutschen Agentur für Luft- und Raumfahrtangelegenheiten DARA)
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TUM - Technische Universität München
WAIS - Wide Area Information Server, indexiert Dateinamen im World Wide Web
WWW - World Wide Web, ein Dienst des Internets