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Göttingen und die Petrigemeinde in St. Petersburg

Die meisten Ausländer in St. Petersburg gehörten der evangelischen Konfession an, ihre ersten Kirchen entstanden in St. Petersburg bereits in den ersten Jahren nach der Stadtgründung.

Die angesehenste deutschsprachige Gemeinde war die evangelisch-lutherische Petrigemeinde, deren erster Kirchenbau zwischen 1727 und 1730 in repräsentativer Lage auf der Admiralitätsseite am Newski-Prospekt errichtet wurde. Im Jahre 1838 wurde die Kirche dann im neoromanischen Stil von Alexander Brüllow umgestaltet. Von Anfang an gehört zur Petrigemeinde auch eine Schule, in der die Kinder der Gemeindeangehörigen unterrichtet wurden.

Auf dem rechts abgebildeten Ausschnitt aus einer der Machajew-Stadtansichten ist der Turm der Petrikirche zu sehen.



In der Beziehung zwischen Göttingen und St. Petersburg spielt die Petrigemeinde in St. Petersburg eine bedeutende Rolle, denn hier wirkten mehrere Göttinger:

Anton Friedrich Büsching
Als 1759 der Pfarrer der Petrikirche starb, erinnerte man sich an den Deutsche Anton Friedrich Büsching, der während seines Aufenthalts in St. Petersburg 1750 als Hauslehrer und durch seine Predigten bekannt geworden war.

Nachdem er mehrere Jahre als Professor an der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen gewirkt hatte, nahm er 1761 den Ruf an und ging als Pfarrer der Petrigemeinde und Leiter der Petrischule nach St. Petersburg. Zu seinen Dienstaufgaben gehörten der alternierend mit dem ersten Prediger zu haltende Gottesdienst, weiterhin Eheschließungen, Bestattungen, Konfirmationen und die seelsorgerische Betreuung der Gemeinde. Bald jedoch trat die Leitung und Verwaltung der Schule in den Vordergrund. So richtete er unter anderem je ein Pensionat für Jungen und Mädchen ein.
Es gelang ihm, die vorher unbedeutende Schule zu einer anerkannten Institution zu entwickeln, die 1783, nach seinem Weggang, zur Haupt-Normaleschule erhoben wurde und so die Oberaufsicht über alle deutschsprachigen Schulen im russischen Reich erhielt.


Johann Beckmann
Das zweite bedeutende Bindeglied zwischen der Petrigemeinde und Göttingen ist Johann Beckmann. Beckmann wurde in Hoya geboren und studierte 1759 bis 1762 in Göttingen unter anderem Theologie, Mathematik, Physik, Naturhistorie, Geschichte, Philologie, Staatenkunde und Kameralistik. Von 1763 bis 1765 ging er als Lehrer für Physik und Naturgeschichte an der St. Petersburger Petrischule.
In Göttingen erhielt Beckmann 1766 eine außerordentliche Professur für Philosophie, die er vor allem mit ökonomischen Vorlesungen verband, so dass ihm 1770 die ordentliche Professur für Ökonomie übertragen wurde.

Beckmann wurde zum wichtigsten Repräsentanten der deutschen Landwirtschaftswissenschaft des 18. Jahrhunderts und gilt zudem als Begründer der Technologie.


Friedrich Konrad Beilstein
Der Chemiker Friedrich Konrad Beilstein besuchte die Petrischule als Schüler. Er verließ sie am 20. Dezember 1852 im Alter von 15 Jahren mit Lobspruch, wobei er "als Anerkennung bei seinem Abgange von der Schule einen Ring mit dem Namenszuge derselben" erhielt. 1857 kam er an die Göttinger Universität, wurde 1858 bei Friedrich Wöhler promoviert und begann 1860 seine Tätigkeit als Assistent Wöhlers. 1862 wurde er zum Privatdozenten ernannt, 1865 zum außerordentlichen Professor.
1866 nahm er einen Ruf an das St. Petersburger Technologische Institut an, wo er als Prof. der Chemie und Direktor des chemischen Laboratoriums bis zu seinem Tode tätig war.

Während der Sowjetzeit befand sich in der Petrikirche ein Schwimmbad. Heute ist die Petrikirche Erzbischofssitz der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und es werden wieder regelmäßig Gottesdienste gefeiert. Außerdem beherbergt die Petrikirche das Deutsch-russische Begegnungszentrum, das heute unter anderem eine Ausstellung zur "Geschichte der Deutschen in St. Petersburg" zeigt. Das deutsch-russische Begegnungszentrum fördert und unterstützt kulturelle Aktivitäten der Russlanddeutschen und bietet Sprachkurse, Theater- und Tanzgruppen und andere landeskundlich ausgerichtete Betätigungsmöglichkeiten an.

Historisches Foto der Petrischule um 1910:

 

Die Petrikirche und Petrischule heute: