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6 Ergebnisse und Schlußfolgerungen

Das Internet und in besonderem Maße das WWW ist durch stetiges Wachstum und steigende Bedeutung bei der Bereitstellung und Suche von Informationen gekennzeichnet. Auch eine Vielzahl von wissenschaftlichen oder für wissenschaftliche Nutzer interessanten Daten ist über das Internet erreichbar.

Die enorme Menge an Daten und die gleichzeitig fehlende Koordination der Inhalte haben dazu geführt, daß eine Vielzahl von Diensten für die Suche und den Nachweis von Internetressourcen entstanden sind. Die Möglichkeiten der Informationssuche im Internet hängen von der Leistungsfähigkeit der verwendeten Suchdienste ab, sind aber auch wesentlich von den Charakteristika des Internet und der über dieses zugänglichen Dokumente bestimmt. Problematisch für die Suche sind dabei neben der Menge an Daten verschiedener Medientypen vor allem die Struktur des WWW als offener, verteilter Hypertext, die leichte Veränderbarkeit der Dokumente sowie die fehlende Qualitätskontrolle der Inhalte. Das führt dazu, daß die vollständige Indexierung aller WWW-Dokumente praktisch unmöglich ist, Aktualität der Datenbanken nur schwer gewährleistet werden kann, daß bei maschineller Indexierung Zusammenhänge und Hierarchien in Dokumenten auseinander gerissen werden und daß Dokumente sehr unterschiedlichen Typs und unterschiedlicher Qualität zusammen nachgewiesen werden.

Diese Probleme wiegen besonders schwer im Bereich der wissenschaftlichen Informationssuche, da die Anforderungen wissenschaftlicher Nutzer an Qualität, Relevanz und teilweise Vollständigkeit der gesuchten Dokumente sowie an Integrationsmöglichkeiten mit anderen Nachweisinstrumenten über diejenigen von Durchschnittsnutzern hinausgehen. Da die Besonderheiten von Dokumenten im Internet als gegeben vorauszusetzen sind, spielt die Eignung der Suchwerkzeuge für die wissenschaftliche Informationssuche unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten eine wesentliche Rolle.

Es existieren verschiedene Typen von Suchdiensten; die gegenwärtig bedeutendsten sind roboterbasierte, manuell erstellte bzw. simultane Suchdienste, die öffentlich über das WWW zugänglich sind. Innerhalb dieser Gruppen lassen sich wiederum globale und regionale Dienste, generelle und fachspezifische sowie kommerzielle bzw. von öffentlichen Organisationen entwickelte und betriebene unterscheiden.

Die verbreitetsten und größten Suchwerkzeuge sind den roboterbasierten, generellen, globalen Diensten zuzurechnen. Sie verzeichnen die meisten Ressourcen und bieten i.d.R. den größten Umfang an Funktionalitäten im Bereich des Information Retrieval an. Damit wird ein relativ gezielter und umfassender Zugriff auf gesuchte Ressourcen möglich. Ein Teil der roboterbasierten Suchdienste stellt Retrievalfunktionen zur Verfügung, die iterative Suchprozesse, welche schrittweise zu Verfeinerungen der Suchen führen, unterstützen.

Dennoch haben die großen, roboterbasierten Suchdienste eine Reihe von Schwächen, die ihren Nutzen für die wissenschaftliche Informationssuche begrenzen.

Trotz dieser Schwächen sind die großen, generellen, roboterbasierten Suchdienste jedoch oft unerläßlich, wenn eine erschöpfende Suche angestrebt wird, die Fragestellung interdisziplinären Charakter hat oder relativ komplex ist.

Für die wissenschaftliche Informationssuche wenig geeignet ist ein großer Teil der allgemeinen, manuell erstellten Nachweismittel, die sich an ein breites Publikum wenden und vor allem Unterhaltungs- und Freizeitinteressen bedienen. Die verzeichneten Ressourcen werden keiner oder keiner wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werdenden Qualitätsauswahl unterzogen, obwohl manuell erstellte Verzeichnisse potentiell selektiv sein können. Die Erschließung der Ressourcen ist oft minimal. Dadurch sind die Suchmöglichkeiten in den Verzeichnissen begrenzt und die Nutzer haben wenig Informationen, um die Relevanz der Dokumente beurteilen zu können. Die Strukturierung erfolgt in selbstentwickelten Verzeichnissen, welche sich stark an den Unterhaltungsinteressen der erwarteten Nutzer orientieren. Dies erschwert ebenfalls einen gezielten Zugriff auf wissenschaftliche Dokumente, selbst wenn sie in der Datenbank verzeichnet sind. Auch diese Gruppe von Diensten basiert auf proprietären, nicht kompatiblen Lösungen: es werden jeweils eigene Systematiken verwandt, die Beschreibung der Ressourcen ist nicht an Standardentwicklungen im Bereich der Metadaten orientiert; die Dienste haben keine standardisierten Retrievalschnittstellen. Ein Teil dieser Dienste wird zusammen mit einem roboterbasierten Suchdienst angeboten. Eine Integration beider Dienste, die zu verbesserten Möglichkeiten der Suchunterstützung führen würde, ist meist nur ansatzweise realisiert.

Neben diesen Gruppen entstehen mehr und mehr fachspezifische Suchdienste, die meist von wissenschaftlichen oder öffentlichen Einrichtungen unter Berücksichtigung von Erfahrungen und Erkenntnissen aus dem Bibliotheks- und Dokumentationsbereich und mit Blick auf wissenschaftliche Nutzer entwickelt werden.

Es existieren eine Reihe manuell erstellter, fachlicher Qualitätsdienste, welche Ressourcen nach wissenschaftlichen Qualitätskriterien auswählen, diese unter Verwendung etablierter Klassifikationssysteme strukturieren und relativ ausführlich beschreiben. Besonders die inhaltliche Erschließung durch Kurzbeschreibungen, Schlagworte und Klassifikationscodes bietet gute Möglichkeiten für präzise Suchen. Integrationsmöglichkeiten sind einerseits durch die Verwendung von etablierten Klassifikationen und kontrolliertem Vokabular und andererseits in Ansätzen durch den Einsatz standardisierter Metadatenformate und Retrievalschnittstellen gegeben. Einschränkend muß festgestellt werden, daß diese Dienste momentan oft noch relativ klein sind und nur einen geringen Teil der im Internet erhältlichen Ressourcen verzeichnen. Die manuelle Erschließung bringt einen gewissen Aktualitätsverlust mit sich. Für erschöpfende Suchen und bei Bedarf an aktuellen Informationen ist die Verwendung der manuell erstellten, fachlicher Qualitätsdienste allein daher nicht ausreichend. Diese Mängel könnten durch eine Zusammenarbeit mit entsprechenden roboterbasierten Diensten behoben werden. Möglichkeiten der Verbesserung und Weiterentwicklung bestehen auch im Einsatz standardisierter Retrievalschnittstellen und der Unterstützung des Suchprozesses.

Problematisch ist weiterhin, daß sich die Dienste sich oft noch in Entwicklungs- und Projektphasen befinden. Das Fortbestehen und die kontinuierliche Weiterentwicklung über die Projektlaufzeiten hinaus ist nicht immer gesichert.

Für einige Fachgebiete existieren auch roboterbasierte, fachspezifische Suchdienste. Sie sind für wissenschaftliche Suchen im entsprechenden Fachgebiet gute Startpunkte, da sie i.d.R. nur Dokumente auf Servern von Einrichtungen des jeweiligen Fachgebietes indexieren. Gegenüber generellen, roboterbasierten Suchdiensten haben sie damit den Vorteil, viele irrelevante Quellen auszuschließen und die entsprechenden Server vollständiger erfassen zu können. Weiterhin können sie auf Entwicklungen seitens der Informationsanbieter, wie den vermehrten Einsatz standardisierter Metadaten, besser eingehen. Die in diesem Bereich angebotenen Dienste sind alle erst vor kürzerer Zeit entstanden. Sie sind hinsichtlich der Suchfunktionalitäten, der Suchunterstützung sowie der Integrationsmöglichkeiten noch entwicklungsfähig.

Der große Teil der existierenden Suchdienste ist damit hinsichtlich der Anforderungen wissenschaftlicher Nutzer stark verbesserungswürdig. Möglichkeiten liegen vor allem im Bereich der Nutzung von Metadaten, der Verbesserung von Retrievalfunktionen durch automatisches Klassifizieren, den Einsatz von Thesauri, Klassifikationssystemen und kontrolliertem Vokabular sowie in der Anwendung von Standards für die Beschreibung und Strukturierung der Dokumente, die Indexierung sowie das Information Retrieval.

Die bestehenden kommerziellen Systeme wenden sich an ein Durchschnittspublikum, sind vor allem an hohen Zugriffszahlen interessiert und stehen in starker Konkurrenz zueinander. Es ist daher fraglich, inwiefern diese Systeme Veränderungen in den genannten Bereichen durchführen werden und an Offenheit und Kooperation interessiert sind. Viele kommerzielle Suchdienste sind außerdem durch ständige Veränderungen in den angebotenen Funktionen und den Benutzerschnittstellen gekennzeichnet. Besonders für die wissenschaftliche Informationssuche wären jedoch größere Verläßlichkeit und Kontinuität der Dienste wünschenswert.

Das größte Potential liegt somit bei den fachbezogenen Suchdiensten und den Entwicklungen, die im bibliothekarischen und universitären Bereich entstanden sind. Beispiele sind die im britischen ROADS-Projekt entstandenen fachlichen Qualitätsdienste (z.B. SOSIG, OMNI, EEVL), Dienste, die in der Universitätsbibliothek Lund, Schweden, entstanden sind (EELS, All Engineering, Nordic Web Index), die universitären Entwicklungen Europe Physics Broker, MathN Broker, GERHARD u.a. In diesen Diensten werden in besonderem Maße Erkenntnisse umgesetzt, die sich aus den vielfältigen Erfahrungen der Bibliotheken bei der Bewahrung und Erschließung konventioneller Informationsquellen ergeben.

Einfluß auf die Suchmöglichkeiten nach wissenschaftlichen Quellen haben nicht zuletzt auch deren Autoren und Herausgeber. So können Metadaten von roboterbasierten Suchdiensten nur zur Suche eingesetzt werden, wenn diese in ausreichender Qualität von den Informationsanbietern erstellt und geliefert werden. Die Suchmöglichkeiten können auch verbessert werden, wenn die Dokumente gut strukturiert sind und Informationen, wie das Erstellungsdatum oder Autorenangaben, enthalten.

In der Arbeit wurden im wesentlichen gegenwärtig arbeitende Suchdienste betrachtet. Projekte und Initiativen, die noch nicht in den existierenden Suchdiensten umgesetzt wurden, waren nicht Gegenstand der Untersuchung. Weiterführende Studien könnten sich mit möglichen Weiter- bzw. Neuentwicklungen von Suchdiensten unter Berücksichtigung von Initiativen und Standardvorschlägen für Beschreibung, Indexierung und Retrieval beschäftigen.


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